Die ISO 19650 Norm
Internationale Normen für Informationsmanagement unter der Verwendung von BIM
Teil 3
In diesem Teil unserer Serie über LOD befassen wir uns mit den internationalen Normen für Informationsmanagement unter Verwendung von BIM, der EN ISO 19650-Reihe. Dies erweitert unsere Diskussion vom objekt- und modellbasierten Fokus zu einer breiteren Betrachtung des Informationsmanagements aus Organisations- und Projektperspektive. Die ersten beiden Teile der LOD Serie behandeln die Grundladen sowie die Merkmale der LOD-Spezifikation.
Die Serie im Überblick
- Teil 1: Grundlagen von LOD
- Teil 2: Merkmale der LOD-Spezifikation
- Teil 3: ISO 19650: Internationale Normen für Informationsmanagement
- Teil 4: Von LOD zu LOIN
- Teil 5: Datenvorlagen als finales Puzzleteil für modellbasiertes Arbeiten
Einführung der ISO 19650
ISO 19650 Teil 1 und 2, die beide im Dezember 2018 veröffentlicht wurden, bieten einen Rahmen für die Definition von Informationsanforderungen und Projektabwicklungsprozessen aus zwei Perspektiven. Zum einen haben wir die Auftraggeber (EN: „Appointing Party“), in der Regel ein Liegenschaftsbesitzer oder -entwickler, der die Informationsanforderungen liefert. Zum anderen haben wir die Auftragnehmer (EN: „Appointed Party“), das Projektteam, das für die Erstellung und Lieferung der Projektinformationen im Verlauf der Planung, des Baus und/oder des Betriebs einer Liegenschaft verantwortlich ist.
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, werden wir eine kurze Einführung in einige der Schlüsselkonzepte rund um die ISO 19650-Reihe geben.
Gemäß den Grundsätzen der ISO 19650-1 sollten die Informationsanforderungen auf bestimmten Ebenen in einer Top-Down-Kaskade definiert werden. Zuerst legen die Auftraggeber ihren Informationsbedarf auf einer allgemeinen Organisationsebene fest; zum Beispiel die Definition der Informationen, die für die Verwaltung ihres Portfolios von Liegenschaften erforderlich sind. Dies sind die so genannten Organisatorischen Informationsanforderungen, OIA (EN: Organizational Information Requirements, OIR). Für jede Liegenschaft innerhalb dieses Portfolios sind individuelle Liegenschaftsinformationsanforderungen, LIA (EN: Asset Information Requirements, AIR), zu definieren. Jede Liegenschaft kann mit einem oder mehreren Projekten verbunden werden (z. B. einem Neubau, einer Renovierung oder Erweiterung sowie einem Abriss). Für jedes dieser „Projekte“ innerhalb einer Liegenschaft die Projektinformationsanforderungen, PIA (EN: Project Information Requirements, PIR), definiert.
Von Anfang an sollten die Auftraggeber den „Zweck“ oder die Geschäftsprozesse festlegen, die für sie relevant sind, um ihre Bauvorhaben auf allen Ebenen zu verwalten: Organisation, Liegenschaft und Projekt. Zweitens müssen die Auftraggeber die Informationen kennen, die zur Unterstützung dieser Geschäftsprozesse notwendig sind. Damit sind die Auftraggeber in einer besser informierten Position, um spezifische Informationsanforderungen vom Projektteam zu verlangen.
Diese Aktivitäten finden innerhalb einer Organisation statt und sind für ein Projektteam möglicherweise nicht direkt sichtbar. Um ein Projektteam (Auftragnehmer) zu beauftragen, müssen die Auftraggeber bestimmte Informationsleistungen festlegen. Was in traditionellen Projekten als ein Projekt-Pflichtenheft und in BIM-Projekten als BIM-Lastenheft bezeichnet werden kann, wird in ISO 19650-1 als Austausch-Informationsanforderungen, AIA (EN: Exchange Information Requirements, EIR), bezeichnet. In Deutschland kennt man dies auch als die Auftraggeber-Informationsanforderungen. Dies sind vertragliche Anforderungen, die festlegen, wie Projektinformationen erstellt, ausgetauscht, qualitätsgeprüft und vor allem geliefert werden sollen. Die AIA werden in der Regel zum Zeitpunkt der Projektausschreibung zur Verfügung gestellt, um das Projektteam anzuweisen, welche Informationen zur Erfüllung der vertraglichen Anforderungen zu liefern sind.
Das mag recht komplex klingen, was es auch ist. Im Grunde beschreibt es, wie der Informationsbedarf im Idealfall bei allen Projekten, nicht nur bei BIM-Projekten, definiert werden sollte. Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen und ein praktisches Beispiel zur Veranschaulichung betrachten.
In dem Beispiel ist der Auftraggeber eine Immobiliengesellschaft. Einer ihrer Kerngeschäftsprozesse ist die Vermietung von Gewerbeflächen. Zur Unterstützung der Mietverwaltung (in diesem Fall der „Zweck“) muss der Eigentümer die Gesamtmietflächen seiner verschiedenen Objekte kennen. Es gibt viele andere Parameter, die für den Eigentümer von Interesse sind, z. B. welche Flächen derzeit vermietet sind und zu welchem Quadratmeterpreis. Dies sind alle organisatorischen und vermögensbezogenen Informationsanforderungen, die den einzelnen Geschäftsprozess unterstützen. Das Projektteam (Generalplaner oder Generalunternehmer) liefert nur einen Teil dieser Informationen. In diesem Fall bittet der Eigentümer das Projektteam, ein digitales Gebäudemodell zu liefern, das Raumdefinitionen mit Kennzahlen der Nettogeschossfläche für jeden Raum enthält. Die Quadratmeterpreise und Informationen zur Mieterbelegung stammen aus einer anderen Quelle.
Im Kern dieses ganzen Prozesses sprechen wir über Informationsmanagement. Genauer gesagt sprechen wir über Informationsanforderungen zur Unterstützung bestimmter Prozesse. Bei diesen Prozessen kann es sich um Geschäftsprozesse handeln, wie z. B. die Verwaltung von Mietflächen oder um Planungsprozesse, wie z. B. die Simulation der Heiz- und Kühlleistung. In beiden Fällen ist die Ermittlung des Grades der auszutauschenden oder zu liefernden Informationen für die Unterstützung der entsprechenden Prozesse unerlässlich.
Mit den Konventionen des Maßstabs und sogar der BIM-Konvention von LOD hatten wir nur eine sehr ungefähre Möglichkeit, die zu liefernden Informationen zu definieren. Die ISO 19650-1 versucht dies zu präzisieren, indem sie spezifische Austauschanforderungen für einzelne Anwendungsfälle oder Prozesse identifiziert. Zu diesem Zweck führt ISO 19650-1 den Begriff Level of Information Need (Deutsch: Grad des Informationsbedarfs) oder LOIN ein. Das Konzept von LOIN ist das Thema unseres nächsten Artikels in dieser Serie.
Lesen Sie auch die anderen Teile aus der LOD Serie
Teil 1 Grundlagen von LOD
Teil 2 Merkmale der LOD-Spezifikation
Teil 4 Von LOD zu LOIN
Teil 5 Datenvorlagen als finales Puzzleteil für modellbasiertes Arbeiten
Mark Baldwin
Autor und BIM-Experte, Geschäftsführer der Digital Insights GmbH und Co-Studiengangleiter Digital Construction an der Hochschule Luzern.