Schuppige Häuser – Von oben bis unten mit Schindeln eingedeckt
Wie Fischschuppen werden Schindeln gleichmäßig und kleinteilig übereinandergelegt, damit Regen und Schnee nicht von außen ins Gebäudeinnere eindringen. Schindeln können für die gesamte Gebäudehülle, Dach und Fassade, verwendet werden. In erster Linie wird mit ihnen das Dach eingedeckt, wo sie eine Alternative für die überwiegende Deckung aus Tonziegeln oder Betonsteinen darstellen.
Was eine Schindel ausmacht
Der Begriff Schindel entstammt dem altnordischen Wort „skilja“ und bedeutet spalten oder trennen. Die Schindel wird demnach durch Spaltung erzeugt. Bereits in archäologischen Funden von Ausgrabungen wurde die Schindeldeckung vor vielen tausenden Jahren nachgewiesen, dort wurden Unterkünfte mit Baumrinde isoliert. Durch die Spaltung entsteht die klassische Rechteckform der Schindel, es gibt aber auch Zierschindeln. Diese sind unter anderem halbrund oder spitz geformt, als Segment oder als Hirschzunge.
Welche Schindelarten verbreitet sind
Heute wird das Wort Schindel nicht nur am Herstellungsverfahren, sondern eher an seiner Form und Verwendung festgemacht. So gibt es neben den traditionellen Holzschindeln auch Schindeln aus Schiefer, Bitumen und Metallen wie Aluminium und Zink. Im Gegensatz zum weichen Holzdach werden sie als Hartdächer klassifiziert.
Das Original aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz
Die Herstellung und Verarbeitung von Holzschindeln ist aufwendig. Traditionell spaltet der Schindelmacher von Hand die Holztafeln. Gespaltene Schindeln schaffen durch ihre unebene Oberfläche ein lebendiges Deckbild. Ein ebenes Deckbild wird durch gesägte Holzschindeln erreicht, deren glatte Oberfläche sich auch gut streichen lässt. Die geschnittenen Holzschindeln sind allerdings wasserempfindlicher, weil beim Sägen die Holzfasern beschädigt werden.
Bevorzugt werden einheimische Holzarten wie Tanne, Lärche, Eiche oder Kiefer. Dabei sind in Deutschland im Norden eher Eichen, im Süden Fichten oder Lärchen vertreten. Ansonsten wird auch das sehr haltbare Zedernholz aus Nordamerika genutzt, aber auch eigentlich heimische Arten werden häufig importiert.
Ein Dach, das mit Holzschindeln nach DIN 68119 eingedeckt ist, hat je nach Witterung eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren. Ein Standort im Schatten oder eine hohe Luftverschmutzung verringern diese. Im Vergleich ist eine Schindeldeckung der Fassade langlebiger als andere Holzvertäfelungen. Die Bewitterung ist nach vier Jahren bereits deutlich erkennbar. Bis ein einheitlicher Effekt entsteht gibt es aber eine Übergangsphase: Nach rund zehn Jahren entsteht eine einheitliche Vergrauung, die die charakteristische Erscheinung mitbestimmt.
Schiefer als langlebiges Naturprodukt aus der Nähe
Neben Holz- sind Schieferschindeln ein weiteres Naturprodukt. Schiefer wird nach dem Abbau gespalten, daher trifft auch hier die ursprüngliche Bedeutung von Schindeln zu. Auch die Schieferdeckung hat eine lange Tradition. Schon bei den Römern wurde sie gefunden. Sie ist haltbarer, von Natur aus wasser- und feuerresistent und damit wetterbeständiger als die Holzdeckung und kann mit einer Lebensdauer von über 100 Jahren aufwarten. Es sind über 30 Deckarten mit Schiefer möglich. Neben der Rechteck-Deckung sind auch Spitzwinkel, Fischschuppen, Bogenschnitt oder Waben oder andere dekorative Deckarten beliebt, als anspruchsvollste Art gilt die altdeutsche Deckung. Schiefer ist ein Naturstein und damit von natürlichen Farbabweichungen geprägt. Diese können durch Wahl des Schiefers aus gleichem Vorkommen minimiert werden, eine abwechselnde Nutzung von Schiefer aus mehreren Paletten schafft eine gleichmäßige Farbbalance.
Sanierung und harte Winter mit Bitumen leicht gemacht
Als flexible und leichte Deckung und damit besonders pragmatisch hat sich die Bitumenschindel bewährt. Seit dem 19. Jahrhundert werden Dachschindeln auf Bitumenbasis industriell hergestellt. Sie sind besonders wetterfest und halten in der Regel 25 bis 35 Jahre lang. Genormt sind sie in der DIN EN 544. Zum Einsatz kommt oftmals eine Kombination von speziellem Bitumen mit Glasvlieseinlagen, hochwertige Granulate und thermoadhäsive Flächen. Zu den verfügbaren Formen gehören die klassischen – Rechteck, Dreieck und Biber – sowie eine Vielzahl an Sonderformen. Durch Einfärbung gibt es eine breitere Farbauswahl als bei Holz oder Schiefer, unter anderem auch ziegelrot oder besondere Kupfer- und Zinkausführungen. Dadurch können sie sich harmonisch in die Umgebung einfügen.
Die Qualität des Angebots ist weit gestreut, eine hochwertige Güte erkennt man an der Bitumenmasse (Mindestanforderung größer als 1300 g/m²), welche die Schindeln dicht und langlebig macht. Bei Dachsanierungen wird oft auf Bitumenschindeln zurückgegriffen. Denn ihr geringes Gewicht von etwa 8 bis 11 kg/m² ist gerade bei schwachen Dachstühlen für die Statik vorteilhaft und bestehende Unterkonstruktionen können gegebenenfalls beibehalten bleiben.
Metall als flexible Lösung in vielfältiger Optik
Auch aus Metall gibt es verschiedene Schindeln. Sie können aus Kupfer, Zink, Aluminium oder beschichtetem Stahl bestehen. Aluminium und Stahl können farbig beschichtet werden, dadurch ist auch hier ein großer Farbspielraum möglich. Kupfer und Zink werden dagegen eher unbeschichtet verlegt, hier bildet sich eine besonders schöne Patina. Für eine gleichmäßige Alterung werden sie auch vorbewittert oder voroxidiert. Traditionell sind Metallschindeln an speziellen Dachformen, Kirchen oder anderen historischen Gebäuden zu finden, speziell an Kuppeln und Wölbungen. Durch ihre hohe Flexibilität können sie auch bei außergewöhnlichen Gebäudeformen zum Einsatz kommen. Insbesondere Aluminium bietet mit seinem geringen Gewicht Vorteile bei der Verlegung. Gängige Formen sind hier Raute, Rechteck und Rhombus. Der Lebensdauer von Metalldeckungen sind oftmals nur durch die Unterkonstruktion Grenzen gesetzt.
Was uns an Schindeln reizt
Die Liebe zum Detail und gleichzeitig der Gestaltungsfreiraum machen Schindeln interessant. Die Auswahl von Material, Beschichtungen, Farben und Deckungsarten ist groß. Dabei belebt die Kombination verschiedener Breiten und Formen das Deckbild der Fassade. Von verträumt, rustikal bis modern ist alles möglich. Das, was sich in gängiger Tradition beispielsweise Schieferplatten in Giebeln zu Nutze machen, kann zu tollen Ergebnissen führen: Denn durch die geringe Größe und verschiedene Formen können nicht nur Ecken ausgelegt werden, sondern auch besondere Gebäudeformen mit Kurven und Schwüngen.
Zu einem ganz besonderen Blickfang wird ein Gebäude, wenn es von oben nach unten komplett in Schindeln gehüllt sind. Aber auch mit wenigen Schindeln lassen sich bereits Akzente setzen. Natürlich ist die kleinteilige, geschichtete Verlegung um einiges aufwendiger, als wenn mit weniger Elementen größere Flächen abgedeckt werden können, gerade auch an der Fassade. Dafür erhält man aber ein Objekt, was auf viele Jahre Bestand hat und eine interessante Optik beibehält. Die Patina bei Holz- und Metallschindeln, aber auch das Farbspiel bei Schiefer schaffen reizvolle Oberflächen.
Pia Gottszky
Autorin und Journalismusexpertin mit Schwerpunkt auf Architekturthemen im gesellschaftlichen Kontext.