Effizienzsteigerung durch IFC-Bauteiklassifizierung
Die digitale Visitenkarte des Planers
Einhergehend mit wachsender Kompetenz in der Modellerstellung rückt das Bauwerksinformationsmodell und seine aktive Nutzung als Informationsträger in der kollaborativen Zusammenarbeit zunehmend in den Fokus. Der Wunsch nach einer Auswertung der enthaltenen Informationen auf Knopfdruck, z. B. für eine Kostenermittlung wächst – nicht zuletzt aufgrund des Marketings der Softwarebranche.
Wer schon einmal auf Knopfdruck in einem Waschvollautomaten, ohne weitere Vorbereitung, blaue Jeans mit weißen T-Shirts gewaschen hat kennt das Problem. In einem Singlehaushalt ließe sich das Ergebnis noch als Feature verkaufen, in einer Partnerschaft mit unterschiedlichen Kleidungsträgern nicht.
Auch das Gelingen eines (Wasch)Prozesses wird durch die Beachtung bestimmter Informationen unterstützt. Auf den eingenähten, mit den Kleidungs-Elementen verknüpften Etiketten finden sich die für die unterschiedlichen Anwendungsfälle benötigten Informationen wie Waschen, Reinigen, Trocknen, Bügeln und mehr. Aufgrund der Informationsdichte, die die möglichen Anwendungsfälle abbildet, sind diese strukturiert, um eine Selektion nach einzelnen Kriterien zu ermöglichen.
Hier lassen sich durchaus Parallelen im Umgang mit dem digitalen Gebäudemodell erkennen.
In beiden Fällen geht es um den und das Nutzen verknüpfter Informationen, unterstützt durch eine auf den jeweiligen Prozess oder Anwendungsfall bezogene Informationsdichte und -struktur.
Auch für die Planung und das Betreiben von Gebäuden lassen sich Informationen zu einem digitalen Gebäudemodell verknüpfen, um eine eindeutige Informationszuordnung sicherzustellen.
Die Geometrien der Bauelemente werden durch semantische Informationen klassifiziert und dienen als Informationsträger. Grundlage zur effizienten Nutzung des digitalen Gebäudemodells ist eine zielführende Strukturierung der enthaltenen Bauelemente und der mit ihnen verknüpften Informationen, um auch bei wachsender Informationsdichte den Überblick behalten zu können.
Für 2D-Zeichnungen oder reine 3D-Modellierungen kann die Strukturierung über die Zuordnung der Bauelemente zu entsprechend klassifizierten Layern geschehen. Eine Filterung erfolgt anhand der Layer-Struktur durch die Auswahl entsprechender Layer oder Layer-Kombinationen. Der Umstand, dass hierbei jeweils nur eine einzelne Bauelement-Information oder -Informationskombination über eine Layer-Verknüpfung abgebildet werden kann, schränkt die Möglichkeiten dabei erheblich ein.
Anders sieht es bei einer Informationsverknüpfung mit den Bauelementen aus. Benötigte Informationen können flexibel und zielgerichtet, auf den jeweiligen Prozess oder Anwendungsfall bezogen, durch Filter oder beliebige Filterkombinationen selektiert und bereitgestellt werden.
Für die Erstellung eines modellbasierten Leistungsverzeichnisses ist es dadurch möglich, bei einer Klassifizierung der Bauelemente nach den Kostengruppen der DIN 276 und den STLB-Leistungsbereichen, durch eine entsprechende Filterkombination, z. B. für Bodenfliesen (KG 353 – Deckenbeläge und SLTB 024 – Fliesen- und Plattenarbeiten) die betreffenden Bauelemente zu selektieren, um die LV-Erstellung handlicher und übersichtlicher zu gestalten.
Bei der Einschätzung des Klassifizierungsaufwands zur Erzielung notwendiger Qualitäten gilt: Qualität vor Quantität. So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Einer der Vorteile der Informationsverknüpfung mit den Bauelementen besteht darin, diese schrittweise im Zuge des Planungsfortschrittes mit weiteren erforderlichen und gewonnenen Informationen, nach Bedarf und Projekterfordernis, anzureichern zu können. Durch die Verknüpfung gehen die Informationen bei Planungsfortschritt und dem damit verbundenen Wechsel der Leistungsphasen nicht verloren. Informationsbrüche und -verluste werden vermieden.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Anforderungen an den Informationsaustausch, insbesondere im Hinblick auf die Anforderung heterogener Softwareumgebungen in den Planungsteams unterschiedlicher Disziplinen zu erfüllen sind.
Der Austausch sollte softwareunabhängig und herstellerneutral auf Basis einheitlicher Schnittstellen erfolgen. Hierzu bietet sich IFC als offenes ISO zertifiziertes Datenformat an (IFC 4; ISO-Standard ISO 16739:2013 „lndustry Foundation Classes (IFC) für den Datenaustausch in der Bauindustrie und im Anlagenmanagement“). Die IFC-Standards werden von buildingSMART kostenlos und herstellerneutral veröffentlicht und von den Softwareherstellern in ihren Produkten implementiert. Zur Qualitätssicherung müssen die Softwaren von buildingSMART zertifiziert sein. Eine Übersicht bereits zertifizierter Softwareprodukte wird auf den Seiten von buildingSMART International laufend aktualisiert.
https://www.buildingsmart.org/compliance/software-certification/certified-software/
Plattformübergreifend stellt IFC Datenstruktur und Datenformat für den Austausch geometrischer und semantischer Informationen für Kollaborations- und Kommunikationsprozesse mittels BIM zur Verfügung.
Die strukturierte Verknüpfung von geometrischen und nicht-geometrischen Informationen unterstützt eine, zur effizienten Nutzung eines Bauwerks-Informationsmodells erforderliche, eindeutige Identifikation der Bauelemente. Es gilt, Interpretationsspielräume, wie sie z. B. bei einer nicht klassifizierten Geometrie möglich wären, zu vermeiden.
Ein Bauwerk kann in Geometrien (3D-Darstellung) und semantischen Informationen (Bauelementeigenschaften oder Merkmale) als digitales Gebäudemodell (digitaler Zwilling) abgebildet werden, wenn die zur eindeutigen Identifikation erforderlichen Bauelementinformationen im Modell enthalten sind.
Die klassische 2D-Planung, auch wenn sie heute bereits überwiegend digital erfolgt, bedient sich in der Regel zur Weitergabe und Pflege der Informationen getrennter Informationsstränge für geometrische (Pläne zur Geometriedarstellung) und für semantischen Informationen (alphanumerische Informationen zur ergänzenden Beschreibung der Geometrien).
Diese verlaufen nicht immer parallel und nicht unbedingt synchron. Häufig verlaufen sie nicht einmal gemeinsam. Das Resultat ist eine fehlende Konsistenz der getrennten Inhalte. Hier gibt es Optimierungsbedarf und -potential. Eine Kopplung der Informationsstränge ermöglicht es ihnen, parallel sowie synchron und somit gemeinsam zu verlaufen, um einen konsistenten Informationsfluss zu erzielen
Aus einem 3D-Modell, schon heute zunehmend als Grundlage zur 2D-Planerstellung genutzt, lässt sich durch das Verknüpfen der geometrische Körper mit semantischen Informationen ein Bauwerks-Informationsmodell erstellen, welches die beiden Informationsstränge miteinander koppelt.
Aus einem Bauwerk-Informationsmodell, ein IFC-Modell ist ein solches, können wiederum Pläne und Informationen unter Berücksichtigung eigener Sichtweisen für unterschiedliche Anwendungsfälle abgeleitet werden. Unter Ableitung versteht man eine spezifische Sichtweise auf das Modell, also eine durch Filterung der Daten definierte Darstellungsweise der Modelldaten. Das kann die Darstellung geometrischer Informationen als Grundrisse, Schnitte, Ansichten oder Isometrien sein. Das kann auch eine listenförmige Darstellung der enthalten geometrischen und/oder semantischen Informationen z. B. zu Auswertungszwecken sein.
Zur Erstellung eines IFC-Modells werden die Bauelemente weiterhin in geeigneter CAD-Software auf gewohnte Weise konstruiert (z. B. Wand, Decke, Fenster, Lüftungskanal etc.). Die CAD-Software sorgt aufgrund der verwendeten Konstruktionswerkzeuge intern für eine entsprechende Klassifizierung der Bauelemente. Für die Standard-Bauelemente des CAD Programms sind die erforderlichen Zuweisungen meist herstellerseitig voreingestellt. Ein mit einem Deckenwerkzeug konstruierten Element wird dadurch zum Beispiel programmintern als Decke klassifiziert.
Erst im Rahmen des IFC-Datenexports werden den Bauelementen durch die IFC-Schnittstelle der CAD-Software die entsprechenden IFC-Klassen und -Eigenschaften zugewiesen. Einer Decke wird dadurch für das IFC-Modell standardmäßig die IFC-Entität (IFC-Klasse) IfcSlab, einer Wand die IFC-Entität IfcWall zugewiesen. Die Verwendung vordefinierter Typen (Predefined Types) und die Anwendung vordefinierter Eigenschaften-Sets (Property Sets – Psets) ermöglicht, die Bauelemente entsprechend dem Planungsfortschritt, weiter zu differenzieren und zu spezifizieren.
Der IFC-Export erfolgt über eine in der Schnittstelle festgelegte MVD (Model View Definition). Durch die ausgewählte MVD (z. B. IFC 2×3 Coordination View 2.0) wird sichergestellt, dass eine bestimmte Sichtweise auf das Modell und somit nur die für den beabsichtigten Anwendungsfall benötigten Geometrien und Informationen exportiert werden.
Häufig kommt es vor, dass zur Konstruktion eines gewünschten Bauelements kein dezidiertes Konstruktionswerkzeug zur Verfügung steht. So verfügen Programme in der Regel über kein spezielles Werkzeug zur Konstruktion einer Rampe. Diese lässt sich möglicherweise mithilfe eines „Dachwerkzeugs“ (geneigte Platte), z. B. in einer Tiefgarage erstellen. Wird das Bauelement nicht entsprechend (um)klassifiziert resultiert aufgrund der programminternen Verknüpfungen daraus ein Dach in einem Untergeschoss. Bei einer automatisierten Massenermittlung nach Bauelementen führt das zu fehlerhaften Ergebnissen, wenn es nicht schon vorher Fragen aufgeworfen hat. Zur Vermeidung ist in der verwendeten CAD-Software die korrekte Klassifizierung als Grundlage einer passenden Zuweisung (Mapping) für den IFC-Datenexport erforderlich. Dies kann durch Verwendung vordefinierter Bauelemente oder nachträgliche Änderung erfolgen.
Erste Näherungen an das IFC-Format führen häufig zu Verständnis- und Zuordnungsproblemen. Der persönlichen, individuellen Planungsstruktur steht eine systematisch gegliederte Datenstruktur gegenüber. Zuordnungs- und Übersetzungsversuche erforderlicher IFC-Begrifflichkeiten resultieren aufgrund unterschiedlicher Definitions- und Abstraktionsebenen in Frustration und nachlassendem Interesse.
Stellt man der IFC-Struktur anstelle individueller Strukturen eine einheitliche, in unserer Planungskultur verankerte Struktur gegenüber, lässt sich die Zuordnung der IFC-Begrifflichkeiten verständlicher gestalten.
Sowohl die in unserem Planungsprozess verankerte DIN 276 (KG 300-600) als auch das IFC-Format bedienen sich einer an Bauelementen orientierten Gliederungsstruktur. So wird in der DIN 276 z.B. eine Wand mit den Eigenschaften: tragend und innenliegend über die dritte Ebene der Kostengruppe 300 – Bauwerk als tragende Innenwand (KG 341) definiert. Im IFC-Format entspricht dies der IFC-Entität IfcWall mit den Eigenschaften nicht außenliegend und tragend.
Stellt man die Gliederung der DIN 276 den Strukturen des IFC-Datenmodells gegenüber lassen sich bei der Strukturierung von Bauelementen und ihren Eigenschaften Übereinstimmungen erkennen. Bauelemente werden durch weitere Eigenschaften näher definiert. Die Ebenen der DIN enthalten einige Eigenschaften, die sich auch in den Standard Property Sets der Elementklassen finden:
Bauteilstatus : Status
Bauteillage : IsExternal
Tragfunktion : LoadBearing
Weitere grundlegende, nicht in den Kostengruppen abgebildete aber notwendige Eigenschaften wie Angaben zum Brandschutz, Schallschutz der U-Wert finden sich ebenfalls in den Standard Property Sets der Elementklassen. Mit einer überschaubaren Anzahl wesentlicher und geläufiger Informationen ist eine aussagekräftige Klassifizierung möglich.
IFC stellt über die Standardeigenschaften hinaus nicht nur eine Vielzahl weiterer, vordefinierter Eigenschaften, thematisch zusammengefasst in Eigenschaften Sets (Property Sets) zur Verfügung, sondern ermöglicht auch die Verwendung eigener, benutzerdefinierter Eigenschaften Sets. Dies gilt auch für die Bauelemente (Entitäten). Auch hier ist zur genaueren Spezifizierung neben der Verwendung vordefinierter Typen die Erstellung und Verwendung eigener, nutzerdefinierter Typen möglich.
Für die tägliche Planungsarbeit und Projektkommunikation ist eine schnelle und unkomplizierte Recherche nach den benötigten IFC-Begrifflichkeiten erforderlich.
Das aktuell im BKI Verlag erschienene Nachschlagewerk IFC Bildkommentar nach DIN 276 unterstützt die Recherche nach den notwendigen IFC-Begrifflichkeiten, indem es auf Basis der vertrauten Strukturierung nach DIN 276 Bauelementen ausgewählter Kostengruppen korrespondierende IFC-Elemente und -Eigenschaften tabellarisch gegenüberstellt.
Seitenverweise führen von dort auf die korrespondierenden Inhalte des Erläuterungsteils der IFC-Entitäten und -eigenschaften. Dieser umfangreiche und thematisch gegliederte Auflistungs- und Erläuterungsteil bietet die Möglichkeit, die Kenntnisse über die Möglichkeiten der Informationsabbildung durch IFC zu vertiefen und dadurch aktiv die Erstellung und Auswertung von Bauwerksinformationsmodellen sowie die Definition von Informationsanforderungen (Stichwort: Auftraggeber-Informations-Anforderungen AIA) zu unterstützen.
Dipl.-Ing Caspar Richter
Autor des Nachschlagewerks IFC Bildkommentar nach DIN 276, Architekt und Inhaber von Richter Architekten, Düsseldorf.