Das Bauen wird digital. Aber was ist mit dem Immobilienmanagement?
Vor allem Betreiber von größeren Wohnanlagen erkennen zunehmend den Nutzen von BIM, qualitativen Planungsinfos oder eines digitalen Zwillings vom fertigen Projekt. Denn Produktdaten oder technische Informationen zu verbauten Bauprodukten, Materialien und Bauelementen ermöglichen eine optimale Wartung der Gebäude.
Wohnungsgesellschaften, öffentliche Hand und private Eigentümer erkennen die Vorteile von BIM und digitalem Zwilling. Aber welche Auswirkungen hat das bereits auf den Gebäudebetrieb und die Verwaltung? Eine brandaktuelle Studie gibt darüber Auskunft.
Das Bauen wird digital. Dieses Statement lässt sich inzwischen setzen, ohne gleich für abschätziges Schmunzeln aus anderen, weitaus stärker digitalisierten Branchen zu sorgen. Und es kann mit verschiedenen Beispielen untermauert werden: Digitale Planungsmethoden wie BIM, Vorfertigung und Systembau, computerisierte Fräsmaschinen oder GPS-gesteuerte Baumaschinen sind keine Zukunftsmusik. Sie sind der Standard in zahlreichen Bauprojekten.
Der Weg zum durchgängig digital geplanten und realisierten Gebäude ist dennoch weit und analoge Bautechniken werden noch über Jahre den Alltag auf den Baustellen weltweit bestimmen. Aber wie ist der Status beim Gebäudebetrieb? Schließlich liegen Terabytes an Planungsinformationen und Produktdaten der verbauten Materialien, Bauprodukte und Systeme vor – die sinnvoll im Betrieb genutzt werden könnten.
Eigentümer erkennen den Nutzen digitaler Planungsmethoden
Eigentümer oder Betreiber der Immobilien (im Anlegerdeutsch auch „Assets“ genannt) sind meist private oder öffentliche Wohnungsgenossenschaften, die öffentliche Hand, Versicherungen, Banken oder Immobilienfonds. Hinzu kommen private Eigentümer, die Wohnungen oder Häuser in der Selbstverwaltung haben.
Eigentümerstruktur am Mietwohnungsmarkt am Beispiel von Berlin: 60 % des Wohnungsbestandes sind in der Hand von professionellen Eigentümern, weitere 40 % im Besitz von Privatpersonen und Wohnungseigentümergemeinschaften. Quelle: Savills/Datengrundlage: Statistisches Bundesamt.
Vor allem Betreiber von größeren Wohnanlagen erkennen zunehmend den Nutzen der digitalen Planungsdaten und eines digitalen Zwillings des fertigen Gebäudes. Das passiert aktuell nicht von ungefähr: Der digitale Zwilling (das virtuelle Abbild des realisierten Projekts) ermöglicht durch darin hinterlegte Planungs- und BIM-infos zu verbauten Bauprodukten und Materialien eine optimale Wartung im späteren Gebäudebetrieb. Dieser Zusatznutzen, der durch die bauteilbasierte BIM-Planung entsteht, unterscheidet sie elementar von einer klassischen 2D- oder 3D-Planung: Hier liegen die Planungs- und Produktdaten als simple Linien oder Flächen und ohne verknüpfte Zusatzinfos wie Dimension, Bauteilaufbau oder technische Eigenschaften vor – anders als bei BIM. Die modellbasierten Produktinformationen und relevante BIM-Planungsdaten können direkt auf Plan.One abgerufen oder in den Planungslösungen Revit und Archicad via Plugin in die eigene Planung einfließen. Der Nutzen für Architekten, Fachplaner und in der Folge die Betreiber liegt auf der Hand: Schneller und zuverlässiger Zugriff auf Bauprodukte und die ergänzend im Gebäudebetrieb nützlichen Daten.
Dennoch sind Eigentümer und Betreiber eher verhalten, ihre Systeme so umzurüsten, dass sie von der Digitalisierung und den umfangreichen Optionen in naher Zukunft profitieren können. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem auch eine Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG aus dem Sommer 2020, an der 156 Unternehmen teilgenommen haben. Verschiedene Key Facts leiteten sich aus der Umfrage ab, die vor allem deutlich machen, dass a) große Unternehmen bereits stärker digitalisiert sind, b) Digitalstrategien zwar als wichtig erachtet aber oft noch nicht vorhanden sind und c) bei den Mitarbeitern das Verständnis für die digitale Transformation fehlt und die Unternehmen ihr Personal daher verstärkt schulen.
Schulung und Wissensaufbau ist wesentlich
In der notwendigen Schulung und im Wissensaufbau der Mitarbeiter sehen die meisten der Befragten auch die größte Herausforderung. Fast dreiviertel der Unternehmen sehen in fehlenden Erfahrungen oder Kompetenzen mit den Digitalen Tools und Anwendungen das größte Risikopotenzial in der Digitalisierung – direkt gefolgt von wachsenden Datenschutzanforderungen (66 %) und der Sorge vor Datenverlust (50 %).
Die Risiken der Digitalisierung im Immobilienbereich sind nicht zu unterschätzen, so die Teilnehmer einer aktuellen KPMG-Studie aus 2020. Fast dreiviertel der Unternehmen sehen in fehlenden Erfahrungen oder Kompetenzen ihrer Mitarbeiter mit digitalen Tools und Anwendungen das größte Risikopotenzial in der Digitalisierung, gefolgt von wachsenden Datenschutzanforderungen (66 %) und der Sorge vor Datenverlust (50 %). Quelle: KPMG in Deutschland, 2020.
Für die Verwaltung von Immobilien setzt jeder professionell arbeitende Betreiber auf ein Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP-System) für seine Ressourcenplanung. Das ERP-System dient dabei zur Steuerung aller Geschäftsprozesse im Unternehmen. Es verwaltet die betrieblichen Ressourcen wie Personal- und Produktionsmittel und das Kapital. Je nachdem wie intelligent die Schnittstellen zu anderen Systemen ausfallen, können hier auch digitale Daten aus der Planung einfließen. Allerdings ist die Anschaffung eines solchen Systems und die Implementierung in die eigenen Prozesse weder einfach noch billig. Immobilienbetreiber überlegen sich daher sehr genau, wann und zu welchem Programm sie für ihre Gebäudeverwaltung wechseln.
Proptechs spielen bisher kaum eine Rolle
Sog. Proptechs, kleine meist recht junge Startups, die sich Teilprozesse im Immobilienbetrieb vornehmen und diese digitalisieren, spielen kurioserweise eine untergeordnete Rolle. Das Bild vermittelt zumindest die Umfrage von KPMG. Dennoch erzeugen sie Aufmerksamkeit und sind oft der Ideengeber für die Umsetzung von Funktionen in den eigenen Systemen im Unternehmen.
Weitaus wichtiger sind inzwischen Kunden- oder Mieterportale, auf denen die Wohnungsmieter zum Beispiel Unterlagen wie die Betriebskostenabrechnung abrufen oder Stammdaten wie die Bankverbindung oder Mieterdaten Online anpassen können. Solche Services bieten schon viele Genossenschaften und Wohnungsverwaltungen an; die Tendenz ist hier stark steigend.
BIM wird immer wichtiger
Digitale Planung und die mit BIM verbundenen Vorteile nutzen bisher nur sehr wenige Immobilienbetreiber und Wohnungsgenossenschaften. Das verwundert umso mehr, als das der Einsatz von BIM für fast alle von hoher Bedeutung ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch die KPMG-Studie: über 70 % der befragten Unternehmen erkennen BIM als ein Werkzeug zur zielgerichteten Optimierung ihres Geschäfts.
Fazit
Die Wohnungsgenossenschaften gehen wachsam in die kommenden Jahre und überlegen aktuell sehr genau, wie sie die Digitalisierung in ihrer Branche nachhaltig umsetzen und wo sie mit ihren Geschäftsmodellen partizipieren können. Partner wie Plan.One können hierbei die Betreiber über ihre Plattformnutzer, die Architekten und Fachplaner, unterstützen. Denn dank intelligenter Produkt- und Planungsdaten mit umfassenden Zusatzinformationen – ebenso sinnvoll für die anschließende Nutzungsphase – wird der Gebäudebetrieb in Zukunft effizienter und kostengünstiger. Das Bild, das sich gerade in der Branche abzeichnet: Man ist verhalten neugierig. Digitalisierung um jeden Preis wird es im Wohnbaubereich nicht geben. Und das ist auch sicher gut so, denn hinter den Wohnungsunternehmen stehen viele Mieter, die zu Recht auf durchdachte digitale Strategien und vorsichtiges Agieren ihres Vermieters setzen.
Tim Westphal
Autor und Branchenexperte, spezialisiert im Architekturjournalismus auf erklärungsbedürftige Themen und komplexe Baugeschichten.