Worldwide BIM: Vergleich der Förderstrategien
Die Anwendung von Building Information Modeling bahnt sich nach und nach ihren Weg durch die Baubranche – und zwar weltweit. Dabei geht es mit den digitalen Tools in den Ländern sehr unterschiedlich voran. Gründe dafür liegen in der Rolle des Staates, inwieweit Fördergelder zur Verfügung stehen und welche gesetzlichen Vorgaben greifen. In einigen Ländern ist BIM als Planungsmethode bereits vollständig etabliert, in anderen Ländern müssen hierfür noch entsprechende Anreize – auch durch finanzielle Hilfestellungen – geschaffen werden.
Als internationale BIM-Vorreiter gelten Finnland und Norwegen, Singapur, Korea, Großbritannien sowie die USA. In all diesen Ländern wurde schon vor ca. 15–20 Jahren damit begonnen, die Abwicklung von öffentlichen Bauprojekten mittels BIM-Methode massiv voranzutreiben, teils zu fördern und mancherorts verpflichtend vorzuschreiben. Dabei wurden unterschiedliche Strategien und Methoden verfolgt. Seit 2016 stellt sich Europa gemeinsam auf, um ein starker BIM-Standort zu werden. Hier sei ein kurzer Überblick über bisherige und aktuelle Bestrebungen gegeben:
Deutschland an der Schwelle
Die deutsche Strategie zur BIM-Implementierung setzt auf eine Mischung aus Vorschriften, verpflichtenden Standards und Anreizen durch Förderprogramme. Die Anwendung steht in Deutschland derzeit vor der nächsten Schwelle – alle Verkehrsbauten und auch erste Hochbauprojekte des Bundes sollen ab 2020 verpflichtend mit BIM-Methoden geplant und errichtet werden. Dafür wurde im Januar dieses Jahres die neue Initiative BIM Deutschland gegründet, die nun zunächst die BIM-Aktivitäten des Bundes bündelt. Damit auch die restliche Branche baldmöglichst nachziehen kann, wird eine Vielzahl an Förderprogrammen und -mitteln zur Verfügung gestellt. Dabei als Planer den Überblick zu behalten, welches Programm in welcher Situation und in welchem Bundesland das passende ist, ist in dem föderalen System nicht ganz einfach.
Europa macht sich gemeinsam für BIM stark
Um im Länderverbund den Einsatz der BIM-Methode gemeinsam weiter voranzutreiben, wurde vor einigen Jahren eine EU BIM Task Group geschaffen. Hinter diesem brachial klingenden Namen verbirgt sich eine Vereinigung von 21 europäischen Ländern die nach einem einheitlichen europäischen Standard streben. Für Planer gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Fördertöpfe der Europäischen Union anzuzapfen. Im Rahmen des European Recovery Programme ERP können beispielsweise verschiedene Kredite wie der ERP Digitalisierungs- und Innovationskredit mit 25.000 € bis 25 Mio. € beantragt werden. Selbstständige und Freiberufler, deren Unternehmen noch nicht länger als fünf Jahre existieren, haben die Möglichkeit, einen geförderten Gründerkredit aus dem EU-Programm COSME mit bis zu 100.000 € für die Anschaffung von Hard- und Software, Lizenzen oder Beratungsleistung in Anspruch zu nehmen. Das derzeit größte und wichtigste EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation ist Horizon 2020. Insgesamt standen hier in den letzten Jahren rund 80 Milliarden Euro für länderübergreifende Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Verfügung – für unterschiedlichste Technologiefelder und Projekte von der Grundlagenforschung bis zur Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen. Darunter befanden sich auch viele Vorhaben aus der Baubranche sowie auch spezielle BIM-Projekte. Anträge können von Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Industrie und KMU, also kleinen und mittleren Betrieben, gestellt werden. Das derzeitige Programm läuft Ende 2020 aus, aber für den Zeitraum 2021–2027 wurde bereits das Nachfolgeprogramm Horizon Europe beschlossen, welches sich verstärkt an den Mittelstand wenden soll und dafür weitere 10 Milliarden Euro bereithält. Eine ähnlich intereuropäische Ausrichtung hat auch das Eurostars -Förderprogramm der Forschungsinitiative EUREKA und der Europäischen Kommission, das sich ebenfalls an forschende KMUs richtet. Der Vorteil all dieser Verbundprojekte ist, dass sie meist aus Konsortien als Fördernehmer bestehen, so dass auch nichtforschende Projektpartner in diese Projekte eingebunden werden können.
Schlaue Digitalstrategie in Finnland
Der ungeschlagene BIM-Vorreiter in Europa ist Finnland. Hier ist die Anwendung bereits so weit fortgeschritten, dass es kaum noch notwendig wäre zu fördern. Die ersten Programme der Regierung wurden bereits 2001 gestartet, so dass schon im Jahr 2007 93 % der Architekturbüros mit BIM als Werkzeug gearbeitet haben. Auch heute investiert Finnland weiterhin große Summen in den allgemeinen Ausbau der Digitalisierung. Verantwortlich für die Koordination ist das Digital Framework Finland, an dem das Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung, die Wirtschaftsförderung Business Finland und das technische Forschungsinstitut Technical Research Centre of Finland (VTT) beteiligt sind. Ziele sind die Förderung von Plattformökonomien und digitalen Innovationen – auch für die Baubranche. Dass Finnland in den Bereichen Digitalisierung und BIM so gut aufgestellt ist, ist u.a. einem schlauen Schachzug zu verdanken. Das Land nutzte das Vakuum nach der Wirtschaftskrise nicht nur als Chance für den Ausbau der Digitalisierung, sondern setzte auch auf das Innovationspotenzial von Start-ups. Diesen wurde mit finanzieller Unterstützung von Staat und Business Angels bestmöglich unter die Arme gegriffen, so dass in den Folgejahren unter anderem auch innovative ConTech (Construction Technology)-Unternehmen entstanden sind, die nun das digitale Baugeschehen im Land maßgeblich beeinflussen. Finnland setzt deshalb weiterhin auf diese erfolgversprechende Strategie.
Erfolg durch staatliche Regulierung in Großbritannien
Besonders erwähnenswert ist auch die BIM-Strategie der britischen Regierung. Erste BIM-Bestrebungen wurden dort im Jahr 2007 ins Leben gerufen. Richtig ins Rollen wurde der Stein jedoch durch die UK Government’s Construction Strategy gebracht, deren übergeordnetes Ziel es war, die öffentlichen Ausgaben um 15–20 % zu reduzieren. Die Umsetzung aller öffentlichen Bauaufträge mit BIM war dabei ein wichtiger Bestandteil des entsprechenden Maßnahmenkatalogs. Das Programm Digital Built Britain 2011/2016 trug maßgeblich dazu bei, die BIM-Orientierung der Baubranche in die richtigen Bahnen zu lenken, gestaffelt in vier Stufen, so dass Planer langsam, aber zwingend, an die Thematik herangeführt wurden. Stufe 0 sah 2D-CAD-Zeichnungen vor, Stufe 1 3D-CAD-Zeichnungen, und mit Stufe 2 wurde BIM in Entwurf und Konstruktion bei öffentlichen Projekten gefördert. Für das Jahr 2020 ist nun eine Annäherung an Stufe 3 vorgesehen, an das vollständige Building Lifecycle Management. BLM berücksichtigt dabei den Gebäudelebenszyklus von der Planung über die Bauphase bis zum vollständigen Gebäudebetrieb. Zahlreiche finanzielle und operative Hilfestellungen wie z.B. eine National BIM Library, die BIM-Objekte unterschiedlichster Hersteller zur Verfügung stellt, begleiteten die Phasen. Großbritannien wird nun mit Level 3 zu einem der fortschrittlichsten europäischen BIM-Länder.
Zwischen Zwang, Entscheidungsautonomie und Eigeninitiative
Im europäischen und auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass der breite Einsatz von BIM meist mit staatlicher Regulierung, einem gewissen Zwang und mit Förderpaketen in Milliardenhöhe zusammenhängt. Aber diese staatlichen Investitionen, um Anfangshürden zu überwinden, rechnen sich und führen letztendlich zu mehr Effizienz. Bestes Beispiel: Singapur. Dort wurde die BIM-Anwendung ebenfalls verpflichtend herbeigeführt. Seit 2004 müssen alle Bauunterlagen für öffentliche Bauprojekte bereits nicht nur elektronisch, sondern als digitale Bauwerksmodelle im Neutralformat IFC eingereicht werden. Der Hintergedanke war dabei, die Planungen dadurch effizient und automatisiert auf die Einhaltung von Normen, wie beispielsweise Brandschutzvorgaben, prüfen zu können. Zwangsläufig ist der BIM-Markt dadurch in Singapur entsprechend weit fortgeschritten.
Im Gegenzug demonstriert das amerikanische Beispiel, wie ein BIM-Vorsprung schnell erschöpft sein kann, wenn staatliche Zielvorgaben fehlen. BIM als Methode wurde in den 1990er-Jahren in den USA entwickelt, der Staatenverbund war lange der unangefochtene BIM-Vorreiter. In Ermangelung einer übergeordneten Strategie, einheitlicher Standards und ungeklärter institutioneller Verantwortlichkeit stagnierten die BIM-Entwicklungen in den USA. Derzeit wird daran gearbeitet, die alte Position im internationalen Vergleich wieder zurückzugewinnen – allerdings bewusst weiterhin dezentral als „Bottom-Up“- statt als „Top-Down“-Strategie. Gelder und Innovationen kommen dabei von vielen unterschiedlichen „Playern“ aus der Industrie und von privaten Investoren.
Auch ein Blick auf die BIM-Entwicklung in Indien lohnt: Hier fördern die großen Unternehmen der Bauindustrie die BIM-Implementierung in Eigenregie. Computer- und Softwaretechnologien sind wichtige Bestandteile der indischen Wirtschaft, so auch in der Bauindustrie. Mit der Verknüpfung beider Branchen ist es aber in Indien noch nicht so weit. Um die oft gängigen Kostenüberschreitungen und Bauverzögerungen in den Griff zu bekommen, setzt nun die Bauindustrie auf den verstärkten Einsatz von BIM, in der Hoffnung, die Prozesse dadurch besser steuern zu können. In Indien fungiert also die Bauindustrie, führende Hoch- und Tiefbaukonzerne sowie Projektentwickler, selbst als ihr eigener BIM-Förderer. Auch hier entstand als Verknüpfung von Bau- und IT-Branche eine boomende ConTech Start-up Szene, und mittlerweile sind auch die großen indischen IT-Unternehmen in die Weiterentwicklung von BIM und IoT für die Baubranche eingestiegen.
Viele Wege führen ans BIM-Ziel
Das Fazit ist recht erfreulich: BIM setzt sich durch – und das in jedem Land ein wenig anders. Letztendlich führen viele Wege ans Ziel, unabhängig davon, ob man dabei auf die private Finanzierung oder staatliche Subventionen, auf Gesetze oder die freie Marktwirtschaft, auf etablierte Institutionen oder auf innovative Start-ups setzt. Dies ist auch in vielen anderen Ländern der Welt der Fall, die in diesem Artikel nicht erwähnt wurden.
Bettina Sigmund
Fachjournalistin mit Schwerpunkt Architektur und Baubranche und Inhaberin von »aboutarchitecture«, einer Agentur für Architekturkommunikation.